Degrowth Week – Ein kurzer Bericht


Bericht von der Degrowth Week im Rahmen der internationalen Degrowth Konferenz in Budapest 2016

Erst seit dem Jahr 2008 (Paris) gibt es internationale Konferenzen, auf denen die Wissenschaftler, die sich mehr oder weniger der „Postwachstums-Bewegung“ zugehörig fühlen, zusammenkommen. Während die Konferenz in Frankreich, dass man auch das Mutterland(1) der „Decroissance“-Ideen bezeichnen kann, nur rund 140 Teilnehmer zählte, stieg der Zuspruch in den folgenden Jahren rasant an. 2014 fand das, im 2-Jahres-Rhythmus organisierte, Treffen in Leipzig statt. Mit rund 3000 Teilnehmern wird diese Veranstaltung von der Community als bahnbrechend angesehen, vor allem was die Verbindung von Menschen mit akademischem und aktivistischen Hintergrund betrifft. Zwei Jahre später versuchte die Bewegung nun wiederum neue Hürden zu nehmen und organisierte die Konferenz erstmals in einem osteuropäischen Land. Mit dem Wissen um ein weit kleineres Organisationsteam und die doch noch jungfräulichere wachstumskritische Kultur in Ungarn, war ein neuer Rekord-Besucheranstrom heuer nicht der Anspruch. Man konzentrierte sich daher tendenziell auf die Berücksichtigung des akademischen Teils, wofür die Räume der Corvinius Universität im Herzen Budapest zur Verfügung standen.

Um den vielen „Praktikern“ jedoch auch ein Programm anbieten zu können, entschied man sich parallel eine Degrowth-Week anzubieten. Da wir uns schon lange vorgenommen hatten Osteuropa zu bereisen und selbst an unserer Universität weniger Postwachstums-Berührungspunkte haben, besuchten meine Freundin und ich also die Budapester „Week“.

Die Veranstalter schafften es hier viele Orte der alternativen Bewegung Budapests einzubinden. So kamen wir in Kontakt mit einigen subkulturellen Kneipen, Veranstaltungsräumen und Kellergewölben. Sie taten gut damit, diese Szene einzubinden und den Blick der internationalen Teilnehmer auf das künstlerisch-aktivistische Bild der Stadt zu lenken. Ob man es will oder nicht: Die Presse der vergangenen Jahre, v. a. im Zuge der rigorosen Flüchtlingspoltik seit gut anderthalb Jahren, hinterließ zwangsläufig das ein oder andere Vorurteil. Um so erleichterter war es zu sehen, dass es auch in Ungarn Platz für emanzipierte Bewegungen gibt und „Refugees Welcome“-Kleberchen auch nicht seltener sind als an vergleichbaren Orten Berlins.

Das Programm war, ganz entsprechend der heterogenen Degrowth-Community, breit gestreut. So wurde ein Vortrag zu Low-tech Solarenergie-Aktivismus ebenso angeboten, wie Ausflüge zu lokalen Bio-Farms und dem Cyclomania Lastenrad-Kollektiv. Natürlich gab es auch die obligatorischen Diskussionsrunden zu Wohlbefinden, Postwachstum und Konsum oder Repair Cafés. Gut 70 Angebote sammelten sich auf dem großen Programm-Faltplan und praktisch sämtliche waren, bemerkenswerterweise und ganz im Gegensatz zur Konferenzakkreditierung, kostenlos. Teil des Angebots waren auch die täglichen Nachmittagsveranstaltungen, sowie Plenarsitzungen am Abend in der Universität. So kamen wir in Genuss eines gut abgestimmten Mix einer sehenswerten Stadt Budapest, lebhaftem Austausch mit Menschen aus aller Welt in inspirierendem Umfeld und tiefgründiger Systemanalyse in Hörsaal-Atmosphäre. Zudem kamen allabendlich Konzerte in den verschiedenen Kulturzentren, die zu einem kleinen Absacker einluden. Als kleiner Nachteil sollte sich jedoch herausstellen, dass es abgesehen von den Abendplenas nur einen Slot am Nachmittag gab, was zur Folge hatte, dass man sich zwischen den rund 20 Veranstaltungen in englischer Sprache entscheiden musste. Somit erlaube ich mir an dieser Stelle auch nur einen freilich recht subjektiven Blick auf dieses Event.

Inhaltlich blieb mir, aus meinem wie erwähnt schmalen Blickwinkel, vor allem ein ständig repetierter Begriff im Kopf: Der der „Narrative“, die es gilt zu erzählen. Das Erzählen vom anderen (nachhaltigeren, erfüllenderen) „Wohlstand“, der auf der einen Seite dem lokalen „Andersmachen“ in seinen verschiedensten Formen erwächst und zum anderen Erbe der, ja doch weitestgehend zweifelsfreien, Einsicht ist, dass gesellschaftliche Veränderungen angegangen werden müssen und, was weit vielversprechender ist, auch (noch) „by-design“ formuliert werden können.

Ein abendliches Plena versammelte, um eine Beispiel zu nehmen, Politiker zu dem Thema „Degrowth in the Parliaments“ und gab diesem Begriff Zündstoff. Die Teilnehmer waren (ehemalige oder aktuelle) Mitglieder des Europäischen Parlaments, des Bundestages oder einer Stadtteilregierung in Budapest. Also Ansichten von verschiedensten Ebenen der Politik. Es stellte sich in diesem Zuge die Frage, was „top down“ möglich ist, also auf der Ebene der (Macht-)Politik bzgl. wachstumsemanzipierter Ideen umgesetzt werden kann. Der Vertreter der neuen grünen Partei in Spanien EQUO fasste zusammen, dass selbst die junge spanische Politikbewegung um PODEMOS sich kaum an das Thema Wachstumskritik herantraut. Der Kampf um politische Macht, um Einfluss auf die politischen Institutionen würde hier nur mit einem Minimalkonsens geführt (Systemkritik, echte Demokratie, Sozialpolitik). Themen wie Klimawandel, Ökologie und ökonomische Nachhaltigkeit fänden dort keinen Platz. Auch Phillippe Lamberts, ehemals Co-Vorsitzender der europäischen Grünen und seit 2009 MdEP, sieht Schwierigekeiten innerhalb seiner Partei, auch wenn deren Ziele offensichtlich einen Wiederspruch zur „Religion des Wachstums“ hätten. Jeder „realpolitische“ Anlauf, etwa zur Hinterfragung des Bruttoinlandprodukts als Indikator, verlaufe auf dieser Ebene im Sande. Aus Slogans wie „Inklusion-Nachaltigkeit-Ökologie“ werde später „Bringt-Es-Job’s?“. So ließe sich der Kern politischer Arbeit, nämlich Versprechungen zu machen, besser realisieren wenn es mehr zu Verteilen gäbe. Dies ermögliche der Wachstumsglaube, da keinem was weggenommen müsse. Dies sei, auf kurze Sicht, natürlich der bequemere Weg, als die unvermeidliche Umverteilungsdebatte rund um den „kleineren Kuchen“ der Degrowth-Idee.

Es sind also keine rosigen Aussichten, die uns die Vertreter der (Macht-) Politik dort vermitteln konnten. Wieder der Aufruf: Setzt Geschichten vom gelingenden Wandel in die Welt. Zeigt auf, wie ein simplifiziertes ressourcensparendes Leben heute (und nicht irgendwann) möglich ist. Es ist möglich die pseudo-synonyme Wohlstand und Wachstum zu trennen. Dies ist jedoch die Aufgabe der lokalen, basisorientierten Bewegungen im Face-to-Face-Kontakt.

Es muss verhindert werden, dass wir, wie etwa in Griechenland, gezwungen werden etwas zu ändern. Der vielzitierte „Change-by-desaster“. „Die Krise ist die der westlichen Kultur und deren Wertschätzung“ sagte ein Konferenzteilnehmer. Kultur ist in der Moderne Konglomerat aller frei in ihr Lebenden. Wenn man von Kulturschaffenden redet, spricht man meist nicht von öffentlichen Machtpersonen. Man spricht von den, meist mäßig vergüteten, lokalen „Machern“

Eine große Touristenattraktion in Budapest ist das Szimpla mittlerweile, dass auch Veranstaltungsort der Degrowth war. Aus einer alten verkommenen Ruine wurde dort ein Kunst- und Kulturort gemacht. Auch andere Veranstaltungsorte (Müszi, Aurora) könnte man als zweckentfremdete Bruchbuden bezeichnen. Jedoch lebt gerade hier das neue Budapest, hier werden andere Modelle der Wertschätzung vorgestellt. Die „Hegemonialkultur“ hat für die vielen verfallenen Gebäude dort keine Antworten parat. Hier wird sinnbildlich gezeigt, was diese Degrowth-Week uns vermittelte: Betretet den Raum, den unsere Gesellschaften euch bieten, andere werden euch folgen. Er ist da!